Über neun Wochen veröffentlicht Der Standard eine Artikelserie rund um das Thema “Unternehmen der nächsten Generation”. Teil3

Autoren: Michael Bartz, Andreas Gnesda und Thomas Schmutzer

Den dritten Artikel Unternehmen der nächsten Generation sind osmotische Organisationen finden Sie hier.

Quelle: Der Standard (Sa. 14.01.2017)

Nachstehend die ungekürzte Fassung des dritten Artikels der Serie:

Unternehmen der nächsten Generation sind osmotische Organisationen

Ein Besuch im Google-Entwicklungszentrum im Londoner East-End zeigt, dass bei Unternehmen der nächsten Generation die Welt tatsächlich auf dem Kopf steht. Hier trifft man schon lange nicht mehr auf ein nach außen abgeschottetes Büro. Stattdessen ist das, was man dort erlebt, eher mit einem Korallenriff oder einem Meeresschwamm vergleichbar: Lieferantenfirmen, externe Experten, Kooperationspartner siedeln sich in den Firmenräumlichkeiten von Google in der Bonhill Street an. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Und Google nennt diesen Ort auch nicht mehr Büro oder Firmenstandort, sondern Campus. Auf dem Campus gibt es auch einen CoWorking-Space, der es jeder beliebigen Person ermöglicht, in diesem besonderen Umfeld zu arbeiten- gleichgültig, ob man mit Google direkt geschäftlich verbunden ist oder nicht. Ausserdem werden Start-up Firmen, die noch gar nicht mit Google kooperieren, ermutigt, sich auf dem Campus anzusiedeln. Was ist hier passiert? Google hat sich, wie zahlreiche andere Unternehmen der nächsten Generation, zu einer osmotischen Organisation entwickelt. Osmotische Organisationen siedeln externe Partner und Lieferanten innerhalb ihrer Firmenstrukturen an oder verbinden sich extrem eng mit ihnen. Sie vernetzten sich auf Zeit mit diesen Organisationen und Experten. Und in vielen Fällen integrieren sie Partner ab einem späteren Zeitpunkt voll, wenn sich ein solches Unternehmen oder einzelne Experten sich als „Gold Nugget“ herausstellen. Dass ist auch der Grund, sogar wildfremde Start-ups in diesen Know-How-Orbit des Unternehmens zu holen oder über einen CoWorking-Space Expertinnen und Experten anzuziehen, die noch gar nicht mit dem Unternehmen zusammenarbeiten. Gerade so, kann man sehr effizient und effektiv nach den nächsten Talenten, Ideen oder Produkt-Know-How fischen.

Dieses Prinzip hat inzwischen Schule gemacht, wie Untersuchungen der IMC FH Krems zeigen. Insbesondere Unternehmen des Technologiesektors machen sich das Prinzip der osmotischen Organisation zu nutze. Hier liegen die Vorteile besonders auf der Hand. Der Streit zwischen VW und seinem Lieferanten Car Trim in 2016 hat umgekehrt gezeigt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn ein Unternehmen weiterhin auf klassisches Lieferantenmanagement setzt nach dem alten „Ihr-Wir“-Muster. Prompt kündigt Daimler-Chef Dieter Zetsche an, seinen mit VW konkurrierenden Konzern in Richtung osmotischer Strukturen zu führen; Zetsche nannte sein Zielbild  „Schwarmorganisation“. Aber auch die Bankenindustrie in Österreich fährt nicht schlecht mit dem neuen Prinzip: Das neue Online-Bankensystem „George“ der ERSTEN Bank Gruppe entstand beispielsweise in einem externen Inkubator, einer Satellitenorganisation, die bewusst aus den Konventionen des Konzerns herausgelöst wurde.

Was bedeutet das Prinzip der osmotischen Organisation für Mitarbeiter und Manager? Es bedeutet vor allem, dass Karrierepfade sich grundlegend ändern. Karrierepfade verlaufen zunehmend über Unternehmensgrenzen hinweg. Während vor 15 Jahren ein guter Lebenslauf möglichst wenige Firmenwechsel aufwies, so ist das heute anders. Es wird also häufiger gewechselt und in verschiedene Richtungen. Es geht nicht mehr nur in der Firmengröße nach oben, was bisher eine goldene Regel für den Lebenslauf war. Das heißt, der Weg kann aus dem Konzern in einen kleineren Start-up führen und danach beispielweise wieder in einen Konzern zurück. Welcher „Move“ heute von Personalabteilungen heute noch nicht unkritisch gesehen wird, ist der in die Selbständigkeit auf Zeit. Vor allem, wenn die Selbständigkeit nicht mit Erfolg gekrönt war. In diesem Punkt ist immer noch nicht gelernt, dass es sich hierbei gerade Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, die sich etwas trauen. Und, dass diese mit sehr wertvollen Zusatzerfahrungen an Bord kommen. Aber auch dieser Punkt wird sich in den neuen osmotischen Unternehmen der nächsten Generation in den nächsten Jahren relativieren.

Erfahrungsberichte von Unternehmen, die Schritte in ganz neue Richtungen gewagt haben, wurden von Springer in dem brandneuen Buch dem Titel „Unternehmen der nächsten Generation“ zusammengefasst (ISBN 978-3-662-52818-1). Ausführliche Informationen zum Buch sind online verfügbar: Springer

Hier geht es zur Version des Artikels, die im Standard veröffentlicht wurde:

www.pressreader.com/austria/der-standard/20170114/282699046820337