Wie werden manche Berufe in der Zukunft aussehen? In diesem Artikel erfahren Sie wie der Job als Hochschullehrer aussehen wird.
Michael Bartz schreibt in seinem New World of Work Blog:
Viele von uns fragen sich, wie so mancher Beruf in Zukunft aussehen wird. Stück für Stück werde ich für verschiedenste Berufe Zukunftsbilder zusammenfassen.
Ich beginne mit der Hochschullehrerin oder dem Hochschullehrer. Das liegt mir natürlich nahe. Denn nicht zuletzt habe ich im Augenblick – mitten im Semester – täglich die Erfahrung, dass ich nach einer Vorlesung vollkommen erschöpft bin. Physisch und geistig. Das ist aber eine positive Form der Erschöpfung. So, wie wenn man etwas Großartiges erreicht und dafür alles gegeben hat.
Was das bedeutet, darüber habe ich lange nachgedacht. Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Wir arbeiten an den Hochschulen mit jungen (und auch älteren und zunehmend älteren) Menschen zusammen, die neugierig sind und die hier ihre nächsten entscheidenden Weichen stellen. Wir als HochschullehrerInnen haben hierbei entscheidende Aufgaben: Wissen weiterzugeben, Wissen zu aktivem Wissen zu machen (anwendbar) und insbesondere Fähigkeiten zu vermitteln, die für das weitere Berufsleben erfolgskritisch sind.
Das zu schaffen, erfordert vollen Einsatz. Das funktioniert nicht mit Folien-Auflegen, Standardmaterial abspulen und frontaler Musikberieselung im weiteren Sinne des Wortes. Das Wort Vorlesung impliziert so eine Art von Vorgehen. Von daher ist der Begriff irreführend.
Dieses Ziel zu erreichen (…Wissen weiterzugeben, Wissen zu aktivem Wissen zu machen (anwendbar) und insbesondere Fähigkeiten zu vermitteln…), erfordert viel mehr sokratischen Dialog, Debatte und interaktive Zusammenarbeit im Hörsaal. Dies löst man aus durch hochaktuelle und ständig weiterentwickelte Materialien in jedem Semester, mit denen man Impulse setzt. Dies erreicht man insbesondere aber auch, indem man Inputs der Studierenden in der Lehrveranstaltung spontan in die Vorlesung mit einbaut und darauf aufbaut, z.B. in Form von Diskurs und Debatte. Und natürlich durch Anwendung mittels praktischer Übungen wird ein weiterer wesentlicher Beitrag geleistet.
Und damit sind wir am Punkt: Um das zu erreichen, ist jede Lehrveranstaltung wie Hochleistungssport im allerpositivsten Sinne (ohne Doping). Und das erklärt auch, meine persönliche Erfahrung und die meiner KollegInnen. Dass wir nach einer Lehrveranstaltung einfach müde gespielt sind.
Dieser Hintergrund ist wichtig, um auf die Frage eingehen zu können, wohin sich das Berufsbild entwickelt. Wir dieser Beruf durch Roboter oder Online-Applikationen übernommen.
Die klare Antwort: Ja. Teilweise. Zu 20 bis 30%. Das Stichwort ist hier: Blended Learning.
Was bedeutet das: Durch teilweise Automatisierung wird die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten effektiver. Lehrveranstaltung werden also aus Online-Modulen und Anwesenheitsphasen im Hörsaal bestehen. Wobei sich auch der Begriff Hörsaal relativieren wird. Denn der Hörsaal in 15 oder 20 Jahren hat nichts mehr dem zu tun, was wir heute noch als Hörsaal kennen.
Wozu die Online-Module dienen: Hier wird Basis-Wissen vermittelt. Das sind Grundlagen für die die Zeit im Hörsaal einfach zu schade ist. Aber das Lernen mittels der Online-Module dient zur Vorbereitung auf die Anwesenheitsphasen im Hörsaal. Durch dieses Vorgehen wird die Zeit im Hörsaal um ein Vielfaches mehr zu – wie man in den USA sagt – “Quality Time”. D.h. hier können wir uns dann um so mehr in Reflektion, Diskussion, Debatte und durch gemeinsame Übungen mit dem Stoff in interaktiver Form auseinandersetzen. Dadurch kommt es zu zwei Effekten: Wir erreichen inhaltlich grössere Flughöhen und verankern Wissen und Fähigkeiten nachhaltiger.
Noch ein letzten Punkt: Wird es in Europa weniger Hochschulen geben getrieben durch den “Automatisierungseffekt”. Auch hier eine klare Antwort: Nein.
Sicher ist, wir werden beginnen, zwischen den Hochschulen Inhalte zu teilen. Und zwar Basismodule werden nach dem Prinzip des Open Source geteilt. Denn warum müssen die Basisteile BWL-Vorlesung immer wieder neu entwickelt werden? Heute nur, weil unsere heutigen Hochschulstrukturen das Teilen von Lehrmaterialien nicht wirklich fördern. Das wird sich ändern. Insbesondere unter dem Druck der Aufgabe, die den Hochschulen bevorsteht.
Die Aufgabe ist: Die Quote der europäischen BürgerInnen mit einem höherqualifizierten Abschluss auf 20% und mehr zu heben. Wir sind noch weit entfernt von diesem EU-Ziel. Allerdings die Zeit drängt. Denn angesichts der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und sich beschleunigenden Qualifizierung der Menschen in anderen – bisher eher benachteiligten – Wirtschaftsräumen ausserhalb der EU (z.B. China), verlagern sich Tätigkeiten und ganz Industrien aus der EU in andere Wirtschafsräume. Vor allem verlagern sich eher “einfache” Jobs, die wenig Qualifikation erfordern. So bleibt uns in Europa nur die Flucht nach Vorn, und zwar in höherqualifizierten Tätigkeiten. Zumindest in den nächsten 20 bis 30 Jahren. So lange wird dieses Modell halten. Was danach als Phase 3 kommt, ist einen eigenen Artikel wert.
Als Schlussfolgerung daraus: Die Flucht nach vorne erfordert, einen Quantensprung in Bezug auf Bildung und Qualifizierung in Europa. Aus diesem Grund werden wir die heutigen Hochschulkapazitäten mindestens benötigen. Und wir haben die Chance, unter Nutzung digitaler Technologien, auch noch effektiver Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, wie oben dargestellt. In diesem Sinne liegt ein doppelter – positiver – Quantensprung vor uns.
Quelle: https://newworldofwork.wordpress.com/2016/11/20/berufe-in-zukunft-hochschullehrerin/